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| l’ultralocal et l’universel |

Posted: November 30th, 2012 | Author: | Filed under: image, word | No Comments »

(cf. http://d2tq98mqfjyz2l.cloudfront.net/image_cache/1258330373735676.jpeg)

wenn sartre sagt, die offene flanke der ideologie sei die praxis, wie sähe dann das heutige paris in seinen augen aus? die cafés, in denen er zusammen mit simone de béauvoir schrieb, das hotel, in dem das paar mit zugezogenen vorhängen die angriffe der nazideutsche wegdachte, wegschrieb. saint-germain-de-prés als ort der literarischen begierde.

der intellektuelle ésprit ist von diesem ort gewichen. eng an eng sitzen menschen mit mänteln vor dem „café de flore“ und „les deux magots“. die stühle sind nicht zueinander gerichtet, sie schauen sich nicht an. ebensowenig die mäntelträger, schaulustig schauen sie umher. ab und an teilen sie sich ihre gedanken mit. wie mögen sie lauten? kein buch liegt auf den tischen, keine diskussion im gange. links neben dem “café de flore” sitzt ein mann auf dem boden und bettelt um kleingeld für papier und neue stifte. ausgelegt sind manuskripte. die schaulustigen gehen an ihm vorüber, hier und da bleibt ein kind stehen.

der unterschied zwischen einem ort und einem raum ist der, dass ein ort verweilt, während ein raum wandern kann. ein ort existiert, räume sind konstrukte, subjektive, interpersonelle oder kollektive konstrukte. henry millers paris kannte viele orte, die heute sicherlich leicht zu lokalisieren sind. die von ihm entworfenen, entrückten gedankenräume sind hingegen nur surreal zu fassen. er schreibt:

“ich verstand nun, warum paris die gequälten, die betörten, die großen besessenen der liebe anzieht. ich verstand, warum man hier, an der nabe des rades, den phantastischen, unmöglichsten theorien anhängen kann, ohne sie im geringsten seltsam zu finden. hier liest man wieder die bücher seiner jugend, und die rätsel bekommen neuen sinn. man durchwandert die straßen in der gewissheit, dass man verrückt, dass man besessen ist, denn diese kalten gleichgültigen gesichter sind die visagen der eigenen gefängniswärter. hier schwinden alle grenzen. (…) die luft ist frostig und abgestanden, die sprache apokalyptisch. (…) eine ewige stadt, dieses paris! ewiger als rom, prächtiger als ninive. der wirkliche nabel der welt, zu dem man wie ein blinder und strauchelnder idiot auf allen vieren zurückkriecht. und wie ein kork, der am ende ins stille wasser der meeresmitte abgetriegen wurde, schwimmt man hier teilnahmslos, hoffnungslos. (…) ideen und handlungen müssen einander entsprechen. wenn in den ideen keine vitalität steckt, gibt es kein handeln. ideen können in dem vakuum des denkens nicht alleine bestehen. ideen haben bezug zum leben: leber-ideen, nieren-ideen, interstitielle ideen usw. nur einer idee zuliebe hätte kopernikus nicht den bestehenden makrokosmos zerstört, und kolumbus wäre im sargassomeer gescheitert. die ästheten der idee bringen blumentöpfe hervor, und blumentöpfe gehören aufs fensterbrett. aber wenn es keinen regen und keine sonne gibt, welchen zweck hat es dann, blumentöpfe vors fenster zu stellen?” (henry miller – wendekreis des krebses)

ziehharmonikaartige menschenschlangen bilden sich vorm centre pompidou. dalís wiederbelebung in zweihundert bildern. die menschentrauben malen ein trostloses bild. sie staunen von kunstwerk zu kunstwerk, in kurzen schritten. sie fühlen sich wohl im konsens, müssen nicht zweifeln, ob oder ob nicht. eine kultur ohne gegenkultur hinterlässt keine definitionslinien. und ein transparent spricht in dalis worten:

„je m’occupe de mon champ, de ma barque c’est-à-dire de la toile que je suis en train de finir, comme un bon ouvrir, en ambitionnant des choses simples: manger des sardines grillées et me promener avec gala le long de la plage, le soir tombant, en regardant les rochers gothiques se transformer en cauchemars dans la nuit. je me suis construit sur ces grèves, j’y ai créé mon personnage, découvert mon amour, peint mon oeuvre, édifié ma maison. je suis inseparable de ce ciel, de cette mer, de ces rochers: lié à jamais à portlligat – qui veut dire “port lié” – où j’ai défini toutes mes vérités crues et mes racines. je ne suis chez moi qu’en ce lieu: ailleurs je campe.” (salvador dalí – l’ultralocal et l‘universel)



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