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| oh boy – eine metakritik |

Posted: Dezember 22nd, 2012 | Author: | Filed under: word | No Comments »

das leben ist ein unbequemes, ungemütliches etwas. ein hektisches treiben auf schroffer oberfläche, eine sinnentleerte posse mit verunsicherten darstellern, in der der plot weder feststeht noch eingehalten wird. jeder fräst sich vorwärts im ungestüm der eigenen beschädigten psyche.

der film „oh boy“ löst derzeit ein überaus positives medienecho aus. in jan ole gersters kinodebüt spielt tom schilling den charakter niko fischer, der seit seinem abgebrochenen jurastudium..ja was..lebt? vegetiert? herumirrt? vater: „was um himmels willen hast du die letzten 2 jahre gemacht?“ niko: „nachgedacht.“ die filmszenen spielen in berlin, sind in schwarz-weiss dargestellt und durch jazzige töne der band „major minors“ untermalt. das entrücken des protagonisten wird fühlbar gemacht, drängt sich nahezu auf. sprachlosligkeit als reduzierte existenz. handlungsohnmacht. niko: „ich möchte jetzt lieber allein sein.“

der film wird vom spiegel-online (pilarczyk, 1.11.12) als „glücksfall für das deutsche kino“ gelobt. es werden begriffe in den raum gestellt: „nouvelle vague“ (ebd.), „melancholische poesie“ (gansera, sueddeutsche.de v. 2.11.12), „einfühlsam und glaubwürdig“ (nierlin, filmgazette v. 1.11.12).

so weit, so nachvollziehbar. “oh boy” jedoch als gegenstück zum hauptstadt-hype zu deklarieren (vgl. pilarczyk), um dem nöligen film eine subversive brise einzuhauchen, geht dann doch ein stück zu weit. ich sage: der film fängt das lebensgefühl der hauptstadt ein. die ohnmacht und das spannungsfeld der kollektiven lebensentwürfe, die sich in berlin zusammenfinden, um das andere zu denken. das leben abseits der konsum- und kommerzwelt, unterhalb des schneller, höher, weiter. nein, berlin ist keine metropole der betriebsamkeit. sie ist das sinnbild des gewollt gelebten scheiterns, des sich-aufbäumens, bis es wieder etwas besser geht, um dann stolz dem nächsten exzess zu fröhnen.

was der film aber leistet, ist ein kratzen an der außenfläche existentialistischer weltwahrnehmung. er versucht, die komplexität des lebens in szenen abzubilden und die ortlosigkeit der moderne zu visualisieren. nierlin beschreibt hier präziser: “überhaupt fungieren räume nur als zwischen- und durchgangsstationen in einem ortlosen, transitorischen dasein. niko driftet durch die stadt, er ist unterwegs, ohne getrieben zu sein.” (nierlin, filmgazette v. 1.11.12)

 

(cf. http://polpix.sueddeutsche.com/bild/1.1506844.1351241276/860×860/tom-schilling-oh-boy.jpg)



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